Am Eingang gibt Chorleiter Sebastian uns den Ton an, alle sind konzentriert, schon geht es los. Wir ziehen zu „Jesus is my salvation“ in das Kirchenschiff ein. Da der Mittelgang vorne durch das Keyboard blockiert ist, gehen wir an den Seiten Richtung Altarraum. Eng, aber machbar. Da bewährt sich der Probelauf in der Vorbereitung.
Unmittelbar vor Beginn hat das Publikum per Beamer einige Infos zum Gospeltrain serviert bekommen, außerdem einige Fotos früherer Auftritte. Nach diesen Appetithäppchen ist das Publikum gespannt und empfängt uns freundlich applaudierend. Das fängt ja schon mal gut an.
Eine ganz kurze Begrüßung, weiter geht es mit Musik. „Heaven is a wonderful place“ verspricht uns das Lied. Gut, dass unsere Männerstimmen heute so gut besetzt sind. Jetzt haben wir Gelegenheit uns in der Kirche umzusehen. Aha, einige Gesichter kennt man vom letzten Jahr, auch einige Bekannte aus der Familie der Wewer-Chöre sind zu entdecken. Die Beamerprojektion von Titel und Übersetzung der Hauptaussage an der Kirchenwand kommt gut an. Applaus gibt es für diesen gelungenen Auftakt.
Vor den nächsten beiden afrikanischen Titeln „Mayenziwe” und „Sia hamba” ergreift der Chorleiter doch knapp das Wort und gibt kurze Erläuterungen. Da die Songs weniger bekannt und deutlich anders sind als die bekannten Gospelgassenhauer afroamerikanischer Herkunft, lauschen die Besucher mit gespannten Gesichtern und verfolgen die interessanten Arrangements mit der typischen Handschrift Sebastian Wewers. Es ist immer wieder faszinierend, welche Effekte allein durch den Wechsel von Lautstärke, Tempo oder Intensität zu erzielen sind. Die Zuschauer sind ganz gebannt und verfolgen interessiert Chorleiters Hinweisen durch Gestik und Körpersprache. Schade, dass nur wenige Gäste von ihrem Sitzplatz sein Mimenspiel verfolgen können, das uns wie eine Notenschrift durch alle Facetten der Songs leitet. Nach den letzten Klängen löst sich die Spannung des Publikums und wir erhalten verdienten Applaus für die gelungenen Beiträge, die sicher manchen Zuhörer überrascht haben mag. Ja, Gospel ist vielfältig in seinen Ausdrucksformen, das ist Afrika!
In großem Kontrast dazu steht das weithin bekannte „Hallelujah” [L.COHEN]. Kaum wird es als einer unserer Hochzeitsklassiker angekündigt, singen schon einige mit; andere schließen verträumt die Augen. Das klappt super – das können wir einfach. Auch unsere Neulinge kommen prima durch die Textmenge. Wie oft haben wir dieses Lied schon gesungen? Das wird einfach nicht langweilig. Begeisterter Applaus schließt sich an.
Als nächstes folgt „Hallelujah, glorify Jesus”, das nach einem einfachen Durchlauf zum Kanon aufgebaut wird. Hier hat das Publikum Gelegenheit, gleich von Anfang an mit zu klatschen, was auch sehr rege getan wird. Jetzt ist richtig Leben in der Kirche.
Vor dem Song „Jesus is right here”, der sich schon bald nach Aufnahme in unser Repertoire zu einem unserer Lieblingstitel gemausert hat, ist es an der Zeit an die Frohe Botschaft zu erinnern. Passt an diese Stelle des Programms wunderbar. Wir befinden uns schließlich in einer Kirche und nicht bei einem weltlichen Konzert.
Zu Beginn schleichen sich kleine Unsicherheiten in den Vortrag, doch diese sind bald behoben und das Lied steigert sich bis zu seinem Höhepunkt. Dieses noch junge Stück ist den Anwesenden weitgehend unbekannt, doch es verfehlt nicht seine Wirkung. Viele Zuhörer fühlen sich offensichtlich emotional berührt, wie wir beim Blick in die Gesichter unschwer feststellen können. Hach, schön ist das.
Man soll nicht meinen, dass man bei einem Gospeltrain-Konzert passiv in den Bänken sitzen kann, um sich berieseln zu lassen. Das ist nicht unser Stil; und der von Chorleiter Sebastian erst recht nicht! Der braucht Action!! Also warum nicht ein Experiment mit dem Publikum?! Dieses ist zu diesem Zeitpunkt sowieso schon ordentlich aufgeheizt. Das bekannte Lied „He’s got the whole world” wird als Basis genommen. Das Publikum wird in drei Gruppen geteilt und bekommt jeweils Chorunterstützung. Nach kurzer Einweisung und Probe erklingt die Zeile „In his hand“ dreistimmig durch’s Kirchenschiff. Dann geht’s richtig los: Sebastian singt als Solokünstler den Text der Strophen, auf den alle anderen mit „In his hand“ antworten. Alles steht, alles singt, alles ist begeistert. Wie macht unser Boss das immer wieder – viele Menschen, z.T. wildfremd, zum Mitmachen zu bewegen. Und dabei offensichtlich auch noch Spaß zu haben?!
Das Experiment mit den Zuschauern nimmt Fahrt auf
Solche Momente muss man fest halten. Ist es Zufall, dass sein Solostück (Gesang und Keyboard) ausgerechnet „Lebensglück” heißt? Nach dem turbulenten Experiment tut die Ruhe gut. Das Stück ist übrigens das Lied zur Jahreslosung 2014 „Gott nahe zu sein ist mein Glück“ [Psalm 73,28]. Wunderschön – sowohl Melodie als auch Text. Und der Sänger hat den Inhalt offensichtlich verinnerlicht. Das spüren alle und hören ganz still und andächtig zu. Selbst der verdiente Applaus passt sich der Stimmung an und bleibt ganz zart.
Zuviel der Ruhe ist aber auch nichts. Also steht mit „This is the day” der schwungvolle Song auf dem Programm, der zum Konzertmotto erhoben wurde. Von Anfang an geht es hierbei zur Sache, einige springen auf, viele weitere folgen. Das Publikum ist sofort auf Betriebstemperatur. Applaus, Applaus.
Jetzt sind wir Gospeltrainer aber gespannt, wie der nächste Beitrag wohl gelingen mag. Kürzlich hatten wir aus unerfindlichen Gründen in der Probe große Probleme mit dem Aufbau des Songs, den wir eigentlich schon sicher beherrscht hatten. Einen Moment noch; in seiner Ansage weist Sebastian darauf hin, dass viele dieser alten Klassiker konkrete biblischen Geschichten zum Inhalt haben, die somit mündlich auch an Analphabeten weiter gegeben werden konnten. Dann wird’s ernst, nun also „Wade in the water”. – Alle sind angesichts der Vorgeschichte hoch konzentriert, der Auftakt gelingt, die Stimmen setzen nacheinander ein. Das Lautmalerische, das sich Chorleiter Sebastian Wewer von seinem Arrangement versprochen hatte, kommt gut rüber. Auch die Überleitung zu den Strophen klappt. Unser Vorturner gibt aber auch alles, um uns um die Klippen dieses Werkes herum zu führen. Hier kann man echtes Teamwork erleben. Warum haben wir neulich nur solche Schwierigkeiten gehabt? Heute läuft alles reibungslos. Niemand hat unsere Anspannung mitbekommen. Stattdessen dürfen wir ein wunderbares Stück erleben, welches den verdienten Applaus bekommt. Der ist heute besonders süß.
Das folgende Lied „Immanuel” mit Danny als Solistin ist nach dem Oldie ein ganz junges Stück voller Emotionalität. Wie gut, dass die Christuskirche eine gute Akustik hat. So kann man überall die intensive, sich steigernde Ansprache Gottes verfolgen. Gerade in den letzten Jahren haben wir daran gearbeitet mehrstrophige Titel nicht einfach runter zu singen, sondern durch spezielle Arrangements eine ganz eigene Spannung zu erzeugen oder eine Steigerung einzubauen. In diesem Falle hat die Komponistin das Stück von vorne herein so angelegt. Das Publikum nimmt dies dankbar auf, applaudiert kräftig und freut sich über den Facettenreichtum des Konzertprogramms.
„Rock my soul“ heißt es im Anschluss. Das Lied ist vielen bekannt, die Gospeltrainversion ist dann aber schon eine spezielle Variante. Wir treiben den Wechselgesang von Männern und Frauen auf die Spitze, indem wir ihn als eine Art Duell gestalten. Die Frauen bleiben im Altarraum, während die Männer in den Mittelgang gehen. Zwar legen sich die Männer kräftig ins Zeug, doch die Übermacht der Frauen scheint sie fast weg zu pusten. Das Publikum hat offensichtlich Spaß und singt teilweise stehend mit. Draußen ist es längst dunkel, drinnen tobt das Leben.
„Rock my soul“ – Berühre meine Seele (und das mit Schwung)
In seiner nächsten Ansage geht Wewer auf die inzwischen starke und selbstbewusste europäische Gospelszene ein, die längst ein eigenes Profil entwickelt hat. Als einen typischen Vertreter haben wir den Song „Let me fly” ausgewählt. Da wir einige Mitglieder aus der Familie der Wewer-Chöre im Publikum wissen, werden diese zwecks Unterstützung charmant nach vorne gebeten. Die ersten kommen noch recht schüchtern, dann hilft der freundliche Applaus der Zuschauer etwas nach.
Man mag sich vielleicht wundern über die Überschneidungen der Repertoires verschiedener Chöre, doch Chorleiter Sebastian liefert die Erklärung nach und berichtet von gemeinsamen Erfahrungen auf dem Gospelkirchentag 2012 in Dortmund und gegenseitiger Unterstützung bei anderen Projekten.
Man merkt uns sicher an, dass dieses Lied eines unserer Lieblingsstücke ist. Völlig sicher und dabei wunderbar leicht bringen wir das Schwebende gut zum Ausdruck. Das Publikum lässt sich gerne anstecken, denn alle Aktiven – egal aus welchen Chören – bilden eine harmonische Einheit. Da spürt man die gute Arbeit des gemeinsamen Trainers.
Gospeltrain mit einigen Verstärkungen aus dem Publikum bei „Let my fly“
Anschließend ist es wieder an der Zeit für etwas Action und die Einbeziehung des Publikums. Nach einer kurzen Erklärung und Einteilung in Gruppen singen schließlich alle Anwesenden ein Triplett, bei dem die Gospels „He’s got the whole world“, „Go, tell it on the mountains“ und „Rock my soul” gleichzeitig gesungen werden. Als am Ende ein harmonisches Ganzes entsteht, sind viele verblüfft, staunen über die neue Erfahrung.
Mit „Lord, hold me!” steht dann ein skandinavisches Werk auf dem Programm, das nach dem turbulenten Stück zuvor eher zum stillen zuhören einlädt. Viele Besucher sind ganz ruhig, lauschen mit geschlossenen Augen der Musik und gehen vielleicht ihren Gedanken nach.
Noch zurückhaltender ist „Peace shall be with you”, das wir oft bei Gottesdiensten und Hochzeiten als Segenslied zum Abschluss anbieten. Auch jetzt haben wir uns wieder die bewährten Kräfte aus dem Publikum zu uns gerufen, um mit uns zu singen. Die Grenzen verwischen längst zwischen aktiven Sängern und passiven Zuhören – so mögen wir es.
Unzählige Male gesungen, unzählige Male gehört: „Oh, happy day”. Dennoch immer wieder gerne genommen. Auch heute geht ein Ruck durch das Publikum, als der Titel an der Wand erscheint. Heute ist Steffi die Solistin. Sie meistert ihre Aufgabe souverän und lässt sich auch nicht vom noch ungewohnten Mikro irritieren. Schön, dass wir auch heute nicht auf diesen Gospelklassiker verzichten. Dem stimmen die Zuschauer durch ihren kräftigen Applaus zu
„Oh, happy day“ – stimmt, alle habe ihre Freude an diesem Konzert
Der Chor ist gerade so schön in Schwung, nimmt das Publikum mit. Die bunte Mischung verschiedener Gospelgenres gefällt, doch dann der Schock: -ENDE- steht an der Wand. Das ist deutlich. Die Besucher sind aber nicht einverstanden und applaudieren energisch, um vielleicht einen Nachschlag zu „erzwingen“.
Das ist unmissverständlich das Ende
Ausgerechnet heute hat Chorleiter Sebastian Geburtstag. Und den verbringt er nicht zum ersten Male musikalisch mit uns. Heute ist es ein Konzert im Vorfrühling, letztes Jahr begleiteten wir ein Paar in die Ehe, wobei eine dünne frische Schneedecke wie Puderzucker auf der Hochzeitskirche lag.
Er muss es geahnt haben, dass auch dieses Mal der Gospeltrain an seinen Ehrentag gedacht hat. Vereinsbossin Christa tritt nach vorne, um das Publikum über die besondere Situation in Kenntnis zu setzen und dem Jubilar unsere Glückwünsche zu überbringen. Sebastian nimmt sofort die übliche verlegene Abwehrhaltung ein und bringt die Ohren zum glühen, während ein anerkennendes Raunen durch’s Publikum geht. (…hat der Typ sich doch eine
gelungene Gospelparty selbst organisiert – Respekt und Glückwunsch!).
Nun soll es noch ein schönes Ständchen geben. Die Leitung übernimmt Kirsten G., Chorleiterin in der hiesigen Gemeinde. Schnell ein paar Anweisungen und schon bekommt das Geburtstagskind „Viel Glück und viel Segen“ von gut zweihundert Zuschauern plus Chor als Kanon auf die Ohren. Superschön. Ein echtes Highlight, das allen richtig Spaß macht.
…..Bossin Christa überbringt Glückwünsche, Kirsten organisiert das Ständchen
So. Ein gelungenes und abwechslungsreiches Konzert geht zu Ende. Ohne Zugabe kommen wir hier aber nicht raus. Ausgewählt haben wir „This little light” mit Birgit als Solistin. Abermals singen viele Gäste dieses bekannte Lied mit. Dass man steht ist natürlich Ehrensache. Energischer Schlussapplaus rundet für uns diesen Auftritt ab. Wir geben den Dank gerne an die Besucher zurück.
Wir beenden die Veranstaltung mit dem Auszug zu „Jesus is my salvation”, mit dem wir auch eingezogen sind. Wir bleiben in Türnähe stehen. Das Publikum macht sich langsam auf den Weg nach draußen, wobei wir viele strahlende Augen und anerkennend nickende Köpfe zu sehen bekommen. Hier und da wechselt man ein paar Worte miteinander. Auftritt und Programm sind offensichtlich angekommen, was uns ein zufriedenes Lächeln auf das Gesicht zaubert.
Nach dem Auszug winkt Sebastian das Konzert endgültig ab
Kleiner, wehmütiger Nachtrag: Unter den Gästen war auch Mechthild, die aufgrund von Veränderungen ihres persönlichen Lebensweges von Bord des Gospeltrains gehen muss. Da lag richtig Wehmut in der Luft, doch vorher wurde im Konzert nochmals richtig abgerockt – als gelungenen Abschluss.
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Danke Mechthild, war schön mit dir!