Der Mass-Choir-Workshop ist ein zentraler Teil des Gospelkirchentags 2012. Da der Gospeltrain den ersten Teil am Samstagvormittag aus zeitlichen Gründen ausfallen lassen musste, wollten wir unbedingt den zweiten Teil am Sonntag-vormittag miterleben. In der Westfalenhalle 1 war von den ca. 6000 aktiven Sängern/Sängerinnen des Gospelkirchentags die weit überwiegende Mehrheit anwesend. Als wir – wie viele andere auch – leicht verspätet eintrafen, wurde gerade „Aufwärmgymnastik“ betrieben. Man konnte beobachten, dass viele Teilnehmer derartige Veranstaltungen kannten; die Neulinge mussten jedoch erstmal lernen, dass man sich nach Stimmen getrennt seinen Platz sucht. Es war eine große Vorfreude zu spüren, nicht zuletzt, weil ja schon am Tag zuvor ein Mass-Choir-Workshop an gleicher Stelle stattgefunden hatte, Lieder und Referenten bekannt waren. Dies erklärt auch, dass alle Lieder von Beginn an recht intensiv mitgesungen wurden.
Es ging los mit Hans-Christian Jochimsen/DEN, begleitet von einer sehr guten Sängerin, die uns im Laufe der Veranstaltung immer wieder Passagen solistisch vorsang. Zum aufwärmen wurde „Praise him“ gesungen, vielleicht der Hymne des Gospelkirchentags. Wie bei allen weiteren Titeln wurde der Text auf Monitoren angezeigt. Als erstes Lied aus dem Songbook wurde „I will lift up my hands“ gesungen, ein heiterer moderner Gospelsong, bei dem sofort der Funke übersprang. Bei dem langsamen, eher nachdenklichen „Let me fly“ kam eine völlig andere Stimmung auf, und es war spannend, diese Gegensätze direkt hintereinander zu erleben. Als letztes Lied wurde „We can move mountains” angestimmt, dem Mottosong des diesjährigen Gospel Day am 22.09.2012.
Jochimsen verstand es, die Teilnehmer zu begeistern. Er erwies sich als ausgezeichneter Pädagoge und Workshopleiter, der nicht nur die Mängel unseres Gesangs sofort erkannte, sondern sie direkt ansprach. Seine Hinweise kamen nie als Negativkritik, sondern als Chance zur Verbesserung rüber. Kernpunkt war immer die Einstellung zu den Inhalten. Wenn diese stimme, so komme der richtige Ausdruck von allein. Ob wir Laien dann den Ton perfekt singen, sei dann gar nicht mehr wichtig, weil das Gesamtergebnis stimme. Er stand am Bühnenrand ganz nah bei den Akteuren, unterstützte mit raumgreifenden Gesten und aufmunternden Worten. Des öfteren waren deutliche Qualitätssprünge zu hören, wenn eine Stimmgruppe nach Hinweisen des Referenten das Stück noch mal sang. In diesen Situationen spendeten die anderen Stimmen spontanen Applaus – mehr Aufmunterung geht nicht!
Was soll man zu Helmut Jost sagen? Statt großer Gesten am Bühnenrand zeichnete ihn seine gelassene, in sich selbst ruhende, fast väterliche Art aus, mit der er annähernd die ganze Zeit am Keyboard saß. Trotz riesigem Erfahrungs-schatz als Musiker und Workshopleiter waren keine Abnutzungserscheinungen festzustellen. Mit Leichtigkeit und Frische brachte er uns die Titel „He shall reign-Hallelujah“, „Peace shall be with you“ (schönes Lied zum Abschluß von Konzert oder Gottesdienst) und „Mighty wind“ (wunderbar ruhiges Lied, wegen dt. Strophen auch für nicht-englischsprachiges Publikum) für den Abschluss-gottesdienst näher. Seine Anmerkungen für Verbesserungen hatte eine unglaublich wohlwollende Ausstrahlung.
Mit dem Chor- und Gospelworkshopleiter Joakim Arenius wurde der Titel „Inspired“ eingeübt, der durchaus Elemente aktueller Popmusik aufwies. Der Schwede war aufgrund seiner Erfahrung sehr souverän und verstand es, Begeisterung zu wecken; letztlich lebte er das vor, was gesungen werden sollte. Interessant war die Erklärung zur Entstehung des Songs, so dass man die verschiedenen Stimmungen der Einzelpassagen besser nachvollziehen konnte. Seine uns unterstützende Formation Praise Unit hat noch mehr überzeugt als beim Eröffnungskonzert am Tag zuvor, wo für einige Zuschauer abseits der musikalischen Leistung doch etwas reichlich Action und Glitzer geboten wurde. Für uns Laien war faszinierend zu beobachten, wie die Profisänger jede Ansage von Arenius sofort klar umgesetzen konnten. Auf diese Art bekamen wir direkten Anschauungsunterricht, statt langer theoretischer Erklärungen. Gerade das Vorsingen in den einzelnen Stimmlagen war sehr bereichernd.
Carol Cymbala kann als Leiterin des Brooklyn Tabernacle Choir ebenfalls viel Erfahrung im Anleiten großer Chöre vorweisen. Mit den von ihr arrangierten Titeln „Hallelujah, you’re worthy to be praised” und “He reigns forever” brachte die auch als Komponistin tätige US-Amerikanerin eine weitere Gospelklangfarbe mit nach Dortmund. Für sie war der Gospelkirchentag nach eigener Aussage zwar Neuland, doch sie war offensichtlich mit Begeisterung dabei. Nach den eher ruhigeren Songs von Jost und dem sehr rhythmischen „Inspired“ von Arenius ging es hier sehr schwungvoll zur Sache. Wie auch Jochimsen und Arenius zeigte sie fast durchgehend die Tonhöhe durch Gesten an, so dass man nicht an den Noten kleben musste.
Alle Chorleiter schienen sehr viel Spaß bei ihrer „Arbeit“ gehabt zu haben, überhaupt zog sich eine große Freude bei allen Beteiligten durch die Veran-staltung – ob Referenten, Musiker, Laien- oder Profisänger/Innen. Zwar haben alle Referenten ihre eigene Art der Anleitung, doch gerade diese Unterschied-lichkeit machte den Workshop zu einer „runden“ Sache. Die lockere Stimmung auf der Bühne und im Publikum ließ gar nicht erst Angst vor falschen Tönen aufkommen. Man war von so vielen Leuten der gleichen Tonlage umgeben, dass man mitgezogen wurde – bis nach drei Stunden Workshop die Stimme schwächelte ?.
Erstaunlich war, dass man keine Probleme mit den Anweisungen der Chorleiter hatte, obwohl Jochimsen, Arenius und Cymbala fast ausschließlich Englisch sprachen; da reichte selbst bescheidenes Schulenglisch aus. Selbst meine Sitznachbarin konnte vielen Anweisungen ohne Englisch-kenntnisse instinktiv folgen, den Rest oder die kleinen Anekdoten waren leicht zu übersetzten. Auch das kann man als erfreuliche Erkenntnis vom Gospelkirchentag mitnehmen…
Unbedingt erwähnen muss man die tollen Musiker, die den Workshop begleiteten. Es gehört schon eine professionelle Einstellung dazu, die Stücke oder Abschnitte immer und immer wieder in gleich guter Qualität zu wiederholen.