Die Geschichte des heutigen Gospeltrain Hamm e.V. soll geordnet und festgehalten werden, das habe ich mir angesichts des wachsenden Chorarchivs vorgenommen. Inzwischen stehen auf der Liste der aktuellen und ehemaligen Mitglieder mehr als neunzig Namen. Einige waren nur kurz bei uns, um Gospelmusik oder unsere Art der Darbietung kennen zu lernen. Die große Mehrheit hat uns eine lange Wegstrecke begleitet oder ist immer noch dabei. Dennoch ist festzustellen, dass die Zahl der Mitglieder aus der Anfangsphase aus den verschiedensten Gründen langsam sinkt. Viele der heutigen SängerInnen sind zwar auch schon wieder über viele Jahre aktiv, doch ihnen ist die Anfangssituation unbekannt, die Frühphase nicht geläufig. Das soll sich nun ändern.
Es stellt sich die Frage, ob es eigentlich „den“ einen Startschuss gegeben hat oder ob es eine schleichende Entwicklung war. Da ich selbst erst ein gutes Jahr nach dem vermuteten Beginn in den Chor eingetreten bin, habe ich selbst keine eigenen Kenntnisse. Natürlich bin ich gespannt, auf was für Geschichten ich bei meiner nun startenden Recherchen stoßen werde. Doch wo fange ich an?
Zeitzeugen fragen! Die beste Quelle überhaupt. Wer war aber dabei? Also wird während der Probe mal geschaut, wer mindestens so lange Mitglied ist, wie man selbst. Auch ältere Mitgliederlisten helfen weiter. Wie gut, dass eine vor Jahren angelegte, in loser Folge ergänzte und im Computer gespeicherte Tabelle vorhanden ist. Jäger und Sammler sind also im Vorteil – wenn auch erst Jahre später. Schließlich habe ich gut zwanzig „Verdächtige“ ermittelt, die in der Frühphase dabei waren. Aber waren sie Gründungsmitglieder? Oder können sie irgendwelche interessanten Details berichten oder Ansätze zu weiteren Nachforschungen liefern?
Nun folgen die Kontaktaufnahme zu den ersten Kandidaten und die Erklärung des Anliegens. Zu meiner Freude sind alle ohne Ausnahme bereit zur Unterstützung, wollen der Sache auf den Grund gehen. Schon die ersten Befragungen bringen viele Namen, Ereignisse und nette Geschichten. Eine erste Idee, wie die Dinge zusammenhängen, entsteht im Kopf. Natürlich schwinden die Erinnerungen, es geht schließlich um die Mitte der Neunziger Jahre. Manche Aussage ist wage, wird mehr fragend in den Raum gestellt. Nach und nach bestätigen die Aussagen aber einander. Manche Dinge können als sicher gelten, andere schließen sich genau so sicher aus. Eine zeitliche Reihenfolge entsteht. Immer neue Hinweise kommen hinzu. Inzwischen melden sich Leute, die längst befragt worden sind, durch Eigeninitiative bei mir: „Ich habe da etwas für Dich, was interessant sein könnte“, „Frag doch mal die oder den!“, „Hast Du das schon mal ausprobiert?“ Da scheint meine Nachforschung auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein; da wird noch mal in Ruhe überlegt oder in der Schublade gesucht. Inzwischen bin ich von der Anteilnahme echt begeistert. Es soll betont werden, dass ich bei allen Befragungen darauf achte, nicht zu viel von meinem bisherigen Wissen preiszugeben, damit ich den Befragten keine Antworten in den Mund lege. Sie sollen besser selber überlegen!
Ein erfreulicher Nebeneffekt der Nachforschungen sind die zahlreichen Telefonate mit Ex-Mitgliedern, die sich ebenfalls sehr interessiert und hilfsbereit zeigen. Natürlich wollen sie über die aktuelle Situation des Chores unterrichtet werden und freuen sich über dessen Wohlergehen. Von besonderem Interesse sind für sie die „alten“ Weggefährten und der „neue“ Chorleiter. Insgesamt lohnt sich die Telefoniererei, denn es werden manche Hinweise zusammengetragen. Statt der befürchteten Arbeit ist es eher ein Vergnügen. Immer wieder wird das Überbringen von Grüßen an mich heran getragen – hoffentlich vergesse ich keinen der Grüßenden zu erwähnen.
Die Erreichbarkeit der Leute ist ein eigenes Thema. Manche sind leicht zu erreichen, bei wenigen anderen ist es schon schwieriger. Ausgerechnet den „Topquellen“ muss ich etwas hinterherlaufen. Mal sind Aufenthaltsort und Kontaktdaten erst zu ermitteln, mal abgerissene Kontakte wieder aufzunehmen. Manchmal ist schlicht die Urlaubszeit abzuwarten. Aber wenn sich der Trainarchivator mal in ein Thema verbissen hat, wird nicht locker gelassen!
Oh, zwei neue Mails. Eine Gospeltrainerin hat in ihren Erinnerungen gekramt, und bedauert nichts beitragen zu können. Sie sollte sich nicht unterschätzen. Manches scheinbar unbedeutende Detail ist ganz wichtig, weil es bisherige Kenntnisse bestätigt oder neue Ansätze für Nachforschungen bietet. Die zweite Mail ist dann der Oberknaller! Unser erster Chorleiter Alexander Fabig hat sich gemeldet und gleich eine ganze Menge zu berichten. Auch er hat sich total engagiert bei der Beantwortung meiner Fragen. Vielen Dank an ihn und alle anderen Informanten. Sie haben die Nachforschungen zu einem echten Gemeinschaftswerk gemacht.
Wichtig ist nun die Überprüfung, der Abgleich der mündlichen Informationen mit den harten Quellen. Also wird in unserem Chorarchiv nachgeschaut, was an Material aus der Anfangsphase vorhanden ist. Zum Glück sind im Pfarrbüro noch Pfarrbriefe und Kopien von Zeitungsausschnitten aus der fraglichen Zeit aufbewahrt. Fast zwei Stunden suche ich mich durch das Material. Einige Kopien als „Beute“ für das Archiv kommen dabei heraus. Die Einladung zu einem ersten Treffen zwecks Gospelgesangs, auf die mich mehrere Informanten aufmerksam machen, ist leider nicht darunter. Vielleicht wären da die wöchentlich erscheinenden Pfarrnachrichten noch interessanter, da sie noch aktuellere Informationen und Ankündigungen beinhalten. Allerdings befinden sich die Ausgaben der fraglichen Zeit bereits im Bistumsarchiv in Münster. Den Weg habe ich bisher gescheut. Der Besuch im Pfarrbüro hat zumindest ergeben, dass unser Archiv schon die Frühphase gut erfasst – ich stoße auf die gleichen Zeitungsartikel wie im Chorarchiv. Es fehlen uns lediglich mögliche Materialien aus der unmittelbaren Gründungsphase.
Jetzt, da fast alle verfügbaren Informationen gesammelt sind, geht es an das Sortieren und Bewerten. Schließlich will noch ein zusammenfassender Text geschrieben werden, vielleicht ergänzt um Fotos oder Kopien – aber das ist eine andere Geschichte.
Nachtrag einige Tage später:
Inzwischen haben sich die Hinweise verdichtet, wo die mehrfach von Informanten genannte Ankündigung veröffentlicht wurde. Genau genommen gab es wohl sogar deren zwei! Alexander Fabig berichtete von einem Artikel, den er für den Westfälischen Anzeiger (Lokalzeitung in Hamm) selbst verfasst habe. Laut eines Lokalredakteurs sei im Moment kein Zugriff auf sehr alte Artikel möglich, weil derzeit Digitalisierungsarbeiten laufen und zudem die Lokalredaktion umgebaut werde. Im Herbst solle ich mich nochmal im Pressehaus melden, der Artikel müsse anhand vorhandener Informationen zu finden sein. Ihr könnt sicher sein, dass der Trainarchivator im Oktober bei denen auf der Matte steht! Einen anderen Hinweis bekam ich von einem Ex-Mitglied. Sie berichtete, sie und ihre Freundin seien gerade wegen des Hinweises auf Gospelmusik in den Pfarrnachrichten zum Chor gestoßen. Der Vater der Freundin habe das Blättchen aus der Kirche mitgebracht und gefragt, ob das nicht etwas für die beiden sei. Konkretere Informationen kann man sich gar nicht wünschen.