Zurück am Haus, wird das für den zweiten Probenblock geplante Kaffeetrinken spontan nach draußen auf die Terrasse verlegt. Gute Idee. Wer weiß, wie das Wetter wird, denn in der Ferne ziehen schon Wolken auf. Diese sind dann schneller als vermutet, und so tröpfeln bald erste Tropfen in den Kaffee.
Nach der Kaffeetafel im Freien geht es mit der zweiten Probe weiter
Weiter geht es im Probenraum. Die Aufforderung von Chorleiter Sebastian Wewer „Setzt Euch mal Platz“ übersetzen wir als Angebot, es uns auf den Stühlen bequem zu machen. Man muss bei unserem Chef immer geistig rege bleiben und mitdenken. Nach und nach trudeln die letzten Gospeltrainer verspätet ein und werden mit herzlichem Applaus begrüßt. Die kennen unseren Humor und machen das Spielchen freundlich winkend mit. Hier im Matthias-Claudius-Haus in Meschede-Eversberg gibt es für solch ein „Fehlverhalten“ natürlich keinen Tadel; wir sind im Freizeitmodus.
Bevor wir ernsthaft proben, wird unser Geburtstagskind des Tages auf den üblichen Ehrenplatz neben dem Klavier gebeten. Der Chor erfüllt den Musikwunsch „I will be there“ und beobachtet die Beschenkte während des Singens. Anschließend Applaus und erneut herzliche Glückwünsche.
Das Geburtstagskind während unseres Ständchens
Schon in der Vormittagssession hatte der Trainarchivator immer mal wieder eine Kamera zur Hand genommen, um die Eindrücke von der Veranstaltung für unser Chorarchiv festzuhalten. Nun stellt sich Chorleiter Sebastian in die Kreismitte und schießt sein ganz persönliches Erinnerungspanorama, indem er sich mit der Handykamera einmal um sich selbst dreht. Ein Traum: als Chef innerhalb einer lernwilligen und (wenn es echt darauf ankommt) hoch disziplinierten Truppe, mit der er schon viele schöne und denkwürdige Momente erlebt hat.
Volle Konzentration bei der Pirouette und nicht wackeln!
Jetzt geht es aber gleich richtig los. Wir beginnen mit dem Stück „Shout to the Lord!“, welches wir vor vielen Jahren schon mal im Repertoire hatten. Allerdings erinnern wir uns an große Probleme bei der damaligen Probenarbeit. Nun also ein neuer Versuch, uns diese Stück bis zur Auftrittsreife anzueignen. Immerhin stellen wir fest, dass bei langjährigen Gospeltrainern noch einiges von dem Lied hängen geblieben ist. Wir sind hoch engagiert bei der Sache und scheuen auch die endlosen Wiederholungen der schwierigen Stellen nicht. Wir merken gar nicht, wie die Zeit verfliegt. Als das Zauberwort „Pause“ gerufen wird, stellen wir fest, dass es doch ganz schön anstrengend war.
Ein paar Minuten Pause, ein kurzer Gang an die frische Luft und schon sind wir bereit für die nächsten Aufgaben. Zum Glück ist die ganz einfach: „Heaven is a wonderful place“. Seit langer Zeit im Repertoire, wird das Stück für viele auf ewig mit dem Gospelkirchentag 2012 in Dortmund verbunden bleiben, wo es oft spontan gesungen wurde – bevorzugt in öffentlichen Verkehrsmitteln.
So ganz nebenbei gelingt ein Bildbeweis, dass unser Chef – möglicherweise – ein etwas verwöhntes Bürschchen ist; unser „Prinz auf der Erbse“. Warum braucht er immer zwei Stühle am Klavier? Übereinander wohlbemerkt! Ist er so zart besaitet?
Vielleicht ist die Erklärung aber auch wesentlich einfacher. Auf eine gute Sitzposition will kein Klavierspieler verzichten. Wenn kein High-Tech-Sitzmöbel mit Höhenverstellung zur Hand ist, so wird eben improvisiert. Geht doch!
Ein Hochsitz für den perfekten Überblick
Das einfache Stück sollte uns nach der Pause wohl nur in Sicherheit wiegen, denn jetzt wenden wir uns wieder „Shout to the Lord!“ zu. Der Chef will es heute aber wissen. Oder er hat erkannt, dass der Chor engagiert und aufmerksam ist, was natürlich gleich ausgenutzt sein will. Egal. Man merkt deutlich, dass wir vorhin intensiv gearbeitet haben. Lernerfolge sind ganz klar festzustellen. Genüsslich schiebt sich der Mann am Klavier eine Süßigkeit rein. Neidische Blicke kommentiert er mit „Klavierspieler dürfen essen, im Gegensatz zu Sängern“. Ganz schön frech. Aber wahr.
So, genug geprobt. Wir machen jetzt ein Experiment und begeben uns an die Feuerstelle zentral im Haus. Dort wollen wir die Akustik ausprobieren und stellen uns im Halbkreis auf. „Nkosi Sikelel’ iAfrika“ soll es auf Wunsch eines einzelnen Herrn sein. Das Stück wird mal richtig gut klingen, doch noch wackelt es hier und da. Der Chef macht immerhin das Zugeständnis, den Text in Händen halten zu dürfen. Wir konzentrieren uns, denn im Gegensatz zum Gruppenraum sind hier einige Ohrenzeugen in der Nähe. Mit dem Ergebnis sind wir recht zufrieden. Das wird was.
Das hat schon etwas von Auftritt
Hiermit ist der Probennachmittag beendet, und bis zum Abendessen ist noch etwas Zeit. Bevor alle auseinander laufen, nutzen wir die Gelegenheit, ein Mannschaftsfoto zu machen. Es wird draußen vor dem Haus Aufstellung genommen, denn Wetter und Lichtverhältnisse lassen es zu. Aber wer macht das Foto, wenn wirklich alle mit auf die Aufnahme sollen? Die Lösung ist einfach. Man holt sich Hilfe.
Parallel zu unserer Chorfreizeit richtet Familie P. hier im Sauerland ein Familientreffen aus. Bisher hatten die beiden Gruppen bis auf wenige Kontakte kaum miteinander zu tun, weil beide ihr eigenes Programm haben. Man trifft sich im Speiseraum oder sonstwo im Haus, wechselte ein paar Worte. Jetzt kommt allerdings etwas Dynamik in die Nachbarschaft. Schnell ist jemand für die Kamerabedienung gefunden, der Gospeltrain aufgestellt und die Aufnahmen im Kasten. Das bringt Familie P. auf die Idee, ebenfalls ein Gemeinschaftsfoto zu machen. Ehrensache, dass wir unsererseits Hilfe leisten. Jetzt ist irgendwie auch der Bann gebrochen, und die Gespräche zwischen Gospeltrainern und der Familie werden häufiger.
Nur nette Leute an Bord des Gospeltrains!
Nach dem Abendessen ist Freizeit angesagt. Mit allen Interessierten wollen wir uns an der Feuerstelle treffen und mal sehen, was der Abend so bringt. Zunächst wird aber das Feuer von Hausleiter Guido Schubert fachgerecht angelegt und entzündet.
Mit Routine ist das Feuer schnell entzündet
Da die Temperaturen es noch zulassen, sitzen manche Gospeltrainer auf der Terrasse. Von innen kann man eine „heiße“ Beobachtung machen – einer Spiegelung in der Doppelglasscheibe sei Dank.
Ohne weiteres Programm sitzen wir beieinander, unterhalten uns über dies und das. Natürlich sind auch die Erlebnisse bei den heutigen Proben ein Thema. Inzwischen wird ein Fotobuch von einer Silberhochzeit herumgereicht, die wir musikalisch mitgestaltet haben. Da die Silberbraut unter den Gospeltrainerinnen ist, erfahren wir aus erster Hand, dass wir viel Freude geschenkt haben. Draußen mixt das heutige Geburtstagskind Sektcocktails und versorgt uns damit. Lecker.
Wir genießen die Zeit am Feuer
Die Küche des Hauses hat uns mit Teig für Stockbrot versorgt, so dass bald einige Stöcke mit Teig über die Flammen gehalten werden. Mal sehen, wer als erstes ein akzeptables Brot erzeugt, seinen Teig verkohlen oder gar den Stock in Flammen aufgehen lässt. Altgediente Pfadfinder wissen: alles ist möglich!
Unser Gospel-Trainer ist inzwischen im wohlverdienten Feierabend und genießt privat den harmonischen Abend mit uns. Aber nicht mehr lange!
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Gelungenes Stockbrot macht glücklich
Irgendwann fängt irgendwer an zu singen. Da lassen sich die anderen nicht zweimal bitten. So herrlich faul und zufrieden lässt sich am Feuer gut gospeln. Nicht perfekt, aber herzlich und mit Freude. Noch zwei, drei weitere Titel und es kommt, was kommen muss! Kurzerhand wird das Klavier aus dem Gruppenraum geholt und der Meister muss wieder ran an die Tasten. Nix mit Feierabend.
Es wird gesungen und gesungen, dabei auch das eine oder andere Getränk zu sich genommen. Inzwischen haben wir die Welt des Gospels hinter uns gelassen und haben uns über Shantys, Volkslieder und Schlager auf dünnes Eis begeben. Es ist die Zeit der Lieder, die in Festzelten zu später Stunde nach reichlich Alkoholgenuss angestimmt werden. Du meine Güte. Wir haben schließlich Ohrenzeugen. Mitglieder der Familie P. halten sich in der benachbarten Sofasitzecke auf oder man spielt Gesellschaftsspiele. Was die Leute wohl von uns denken mögen? Dieser komische Chor aus Hamm hat ja ein sehr merkwürdiges Repertoire. Und viele Lieder werden zudem nur angesungen. Deshalb wird dieser Abend auch unter dem Titel „Potpourri der ersten Strophen“ in die Geschichte des Gospeltrains eingehen.
Hier sitzt keiner mehr, der Gospeltrain kommt in Fahrt
Jetzt nimmt der weitere Abend einen sehr denkwürdigen Verlauf. Wir besinnen uns auf unsere wahre Leidenschaft und kehren zu den Gospels zurück. Nachdem P.s immer mal wieder einen Blick riskiert haben, was sich da Eigenartiges am Feuer tut, werden sie jetzt neugierig. Auf einmal klingt es richtig gut, was da an ihre Ohren dringt. Einige Leute überwinden die Scheu und sehen/hören uns bald darauf zu. Die Gospeltrainer registrieren dies und lösen den Kreis ums Feuer teilweise auf. Fast alle wenden sich – als Bühnenprofis den Zuschauern verpflichtet – den Kiebitzen zu. Auch der Chorleiter reagiert und sagt gelegentlich Titel an. Das Publikum ist inzwischen auf gut fünfzehn Personen angewachsen, die uns durch Applaus ihre Anerkennung zeigen.
Von der gemütlichen Runde zur heißen Session – was für ein Abend!
Das Ganze hat sich längst zu einer echten Session entwickelt, die alle Anwesenden in ihren Bann zieht. Wir singen und singen, bis uns irgendwann fast die Stimmen versagen. Erstaunt stellen wir fest, dass wir fast zwei Stunden am Stück gesungen haben und es auf Mitternacht zugeht. Was für ein Abend. Haben wir vorhin noch überlegt, was das Highlight des Tages war, so sind wir nun sicher: wir selbst sind das Highlight. Und jemand hat die längste Geburtstagsparty seines Lebens feiern dürfen. Jetzt wird schnell gemeinsam ein wenig aufgeräumt und sich zur Nachtruhe begeben. Obwohl – Gerüchte sagen, dass einige Leute noch weitere Ausdauer bewiesen haben.
Teil 4 folgt.