Nachbesprechung Taufe in Hamm-Ostwennemar 12.10.2014

© trainarchivatorWar das eine Taufe? War das eine Taufe? hieß es anschließend von einer Gottesdienstbesucherin. – Man kann die Begeisterung verstehen. So lebensnah, herzlich und fröhlich, mit viel Musik und einer rührenden Taufzeremonie. Aber der Reihe nach.

Haben wir uns schon jemals so früh für einen Auftritt getroffen? 8.30 Uhr am Sonntagmorgen ist schon ungewöhnlich. Umso bemerkenswerter, dass sich 26 Gospeltrainer auf den Weg gemacht haben. Bei herbstlich-feuchter Kühle kamen wir an der Evangelischen Kirche in Hamm-Ostwennemar an. Gute Geister hatten im Gemeindesaal, der nur durch eine Glaswand vom Kirchenraum getrennt wird, Kaffee und Gebäck bereit gestellt. Dafür, dass man angeblich noch müde war, ging es aber schon sehr lebhaft zu. Irgendwie herrschte Aufregung und Vorfreude, da das zu taufende Baby die Enkelin einer Gospeltrainerin ist. Ihren aufregenden Start ins Leben haben wir aus der Ferne begleitet und irgendwie fühlte es sich ein bisschen wie die Taufe eines Patenkindes an.

© trainarchivatorEine Tasse Kaffee mit netten Leuten – ein guter Start in den Tag

Los, los! Unser Chorleiter Sebastian Wewer rief zum Einsingen. Im Gemeindesaal war es schon kühl, in der Kirche noch ein wenig frischer. Geschickt ausgewählte Einsingübungen sollten uns „zwingen“ uns zu bewegen. Die Luft erwies sich allerdings als sehr gut zum Singen geeignet, wie wir feststellen konnten. Und da kam auch schon die Familie des Täuflings, bald danach konnte es losgehen.

© trainarchivatorInnenraum der Evangelischen Kirche in Hamm-Ostwennemar

Zur Eröffnung des Gottesdienstes stand der Gospeltrain im Altarraum und sang „Order my steps“. Der Wunsch, Gott möge die Schritte dieses kleinen Menschen leiten, schien ein geeignetes Motto zum Auftakt sein. Pfarrer Ralf Gumprich saß während unseres Beitrags ganz schlicht in einer der Stuhlreihen und überließ uns die Bühne. Wir kennen einander von einigen früheren Auftritten in seiner Kirche, und er schien über unseren Besuch sehr erfreut zu sein. Ebenso erfreut schien das Baby zu sein, denn es schaute während des ganzen Liedes gebannt auf Chorleiter Sebastian am Keyboard. Überhaupt war es sehr interessiert und aufgeweckt. Da, hatte man richtig gesehen? Übte es etwa schon den Gospelschritt unter dem Taufkleid?

Für uns waren einige Plätze am Rande reserviert, die wir nun einnahmen. Nach einer herzlichen Begrüßung sang die Gemeinde mit unserer Unterstützung „Gott gab uns Atem damit wir leben“ (EG 432). Es folgte Psalm, Kyrie und Lossprechung, bevor gemeinsam „Gottes Liebe ist so wunderbar“ angestimmt wurde. Im Anschluss an ein Gebet wurde unser „Hallelujah“ gesungen, zu dem wir uns wieder auf die Altarstufen gestellt hatten. Es fiel auf, dass einige Besucher leise mitsangen, obwohl der Song doch eine Menge Text hat. Spätestens an dieser Stelle wurde klar, dass wir gut in Form waren. Das Stück gelang angenehm fließend, nichts klang gehetzt. Nach dem Evangelium sangen alle „Herr, wir bitten komm und segne uns“.

Wir Gospeltrainer dürfen uns als durchaus predigterfahren bezeichnen. Was haben wir bei Trauungen und Gottesdiensten aller Art schon zu hören bekommen?! Katholisch oder evangelisch, von Männern oder Frauen, mal lebensnah und persönlich, mal feierlich oder fast philosophisch. Aber heute? – Diese Predigt war ein Erlebnis in einer ganz eigenen Liga. Pfarrer Gumprich erzählte auf ganz ruhige, langsame und eindringliche Art von einem fiktiven (?) Gespräch zwischen Gott und einem Engel; am Abend des sechsten Schöpfungstages nach der Schaffung des Menschen – sozusagen „zwischen Sportschau und Wort zum Sonntag“. Gott hatte da noch eine Idee: die Schaffung der Familie. Vater, Mutter und Kind sei ja schon gut, aber nicht perfekt. Erst mit Oma und Opa, Tanten und Onkel werde daraus eine runde Sache. Der Engel war noch skeptisch. Überhaupt die Sache mit einem Kind. Wer wolle denn so was? Ein Kind schreie dauernd und fordere etwas, man verstehe nicht was es wolle, man müsse ständig waschen und putzen und es raube den Schlaf. Das mache doch keiner freiwillig! Gott widersprach. Der Engel argumentierte: die Kinder lernten irgendwann sprechen und die Eltern bekämen dann so etwas wie „nein“ und „meins“ zu hören, überhaupt würde Widerstand geleistet und in der Pubertät würde der Nachwuchs erst richtig seltsam. – Im Hintergrund musste eine Mutter zweier Teenies prusten 🙂 – Gott verteidigte weiterhin seine Idee. Jetzt brachte der Engel das Argument, welches wohl in allen Zeiten genutzt wurde, um Diskussion zu ersticken: das koste aber viiiel Geld. Gott behauptete, dass die Eltern sogar freiwillig dafür bezahlen. – Immer wieder sah die Gemeinde zum Täufling und seiner Familie, die war ganz berührt und horchte offensichtlich in sich hinein. – Gott behauptete, Kinder seien das Schönste. Sobald jemand die kleine Hände und Füße sehe, dem Baby ins Gesicht schaue, so schmelze er dahin. So entstünden Bande zwischen den Menschen, so verschenke man sich. Und wer sich an andere verschenke, der bekomme auch viel zurück. Der Engel gab sich geschlagen. – Wer jetzt die glücklichen Eltern mit ihrer kleinen Tochter im Taufkleid sah, der wusste: Gott hat recht!

Musik. Man brauchte etwas Musik, um die Predigt sacken zu lassen. Das dem Chor weitgehend unbekannte Lied „Vergiss es nie/Du bist du“ stand auf dem Programm. Chorleiter Sebastian übernahm als Solist die Strophen; wunderbar sensibel gesungen, denn der „Chef“ hatte heute einen Sahnetag erwischt. Es reicht eben nicht nur die Töne zu treffen, denn erst innere Ruhe, Konzentration und die richtige Einstellung zum Text machen aus einem Lied etwas Besonderes. Den Refrain sangen die Besucher und der mit Textblättern ausgestattete Gospeltrain. Viele Anwesende sind dahin geschmolzen, weil der Solist den Text so emotional und authentisch vertonte. Dabei schauten sich die mitsingenden Eltern gerührt an, denn nicht nur die Zeile „Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu“ traf mitten ins Herz. Kein Wunder, dass da auch ein Tränchen verdrückt wurde.

Unweigerlich steuerte der Gottesdienst auf die Taufzeremonie als heutigen Höhepunkt zu. Musikalisch eingeleitet mit dem Lied „Das wünsch ich sehr, dass immer einer bei mir wär“. Das Taufbecken hatte jemand mit einem zarten Blütenkranz geschmückt. Eltern, Täufling und Paten versammelten sich im Kreis. Eine Patin hielt das Baby auf dem Arm, dieses war völlig ruhig. Hatte es doch zuvor eine Weile ganz entspannt mit dem Kopf auf Mamas Schulter geschlafen. Die eigentliche Taufe war schlicht aber herzlich. Untermalt wurden diese Augenblicke mit einer Improvisation am Keyboard, ganz leise und zurückhaltend. Allmählich entwickelte sich die Musik zu einem Titel, den erkannt haben mag, wer kürzlich mit dem Train auf Fahrt zum Gospelkirchentag in Kassel war. Dort hatten wir einen Song kennen gelernt, der in diesem Moment perfekt passte: „Loved“ – eine schöne Gewissheit für das Kind auf seinem Lebensweg.

© trainarchivatorIn guten Händen – frisch getauft auf dem Arm der Patin

Mit der Taufe haben die Eltern ihrem Kind eine Richtung aufgezeigt, in die es sich zu gehen lohnt. Diese Gewissheit unterstrich das nur mit dem Refrain gesungene Gemeindelied „Von guten Mächten“ (EG 652), welches immer wieder eine ruhige Zuversicht auszustrahlen vermag. Nach Fürbitten und Vater Unser trat die Gemeinde noch einmal singend in Aktion. „Mögen sich die Wege“ kannte fast jeder, so dass fast alle auswendig mitsangen. Pfarrer Gumprich sprach den Schlusssegen, bevor der Gospeltrain wieder an der Reihe war.

Ob das so geplant war? Ein Medley? Es darf ruhig vermutet werden, dass es sich hierbei mal wieder um eine spontane Eingebung des musikalischen Leiters handelte. Eine feste Liedfolge für den Taufgottesdienst war uns zuvor nicht mitgeteilt worden; eher so etwas wie „alles nur Lieder, die ihr gut drauf habt“. So schafft man sich Spielraum für Kreativität. Es gab keine Ansage des Chorleiters, was gesungen werden sollte. Also hörte man dem Keyboardspiel zu, aus dem sich nach und nach die Melodie von „Lord, hold me“ hervorhob. Gute Wahl, das passte. Statt eines Endes wurde eine Überleitung zum Segenslied „Angels by my side“ gespielt. Jetzt haben wir kapiert, was der Mann an den Tasten vorhatte. Also einfach alles fließen lassen, zuhören und auf die kleinen Hinweise des Leiters durch Mimik, Gestik und leisen Zuruf achten. Den Schluss bildete der Klassiker „Oh, happy day”. Das Publikum war längst begeistert, hatte sich von der Stimmung anstecken lassen und sang mit. Was für eine Feier! Auch kritische Gospeltrainer dürften keine Fehler bei unseren Beiträgen gefunden haben, alles harmonisch, sicher und stimmungsvoll. Eine Belohnung gab es in Form von kräftigem Applaus.

Direkt nach dem Verklingen des letzten Liedes drängte sich der Pfarrer durch die Reihen der Gospeltrainer in Richtung Altar, wo seine Mappe lag. Ungewöhnlich. Die Verabschiedung hätte er doch von vorne machen können? Die Erklärung folgte „Ich habe gleich noch einen Termin“. In einer anderen Kirche erwartete man ihn zum Gottesdienst. Die Besucher blieben aber einfach und hofften auf eine Zugabe; kommt in Gottesdiensten eher selten vor. „Ihr könnt ruhig noch hier bleiben“ lud uns Gumprich ein. – Das haben wir auch noch nicht erlebt! Die Gemeinde feiert noch eine Session mit dem Chor, während der Pfarrer schon über alle Berge ist. Soweit kam es aber nicht. Zeitlicher Spielraum für einen Titel war noch. „Aber nur, wenn die Oma mitsingt“ forderte der Chorleiter Verstärkung aus der Familie des Täuflings an. Neu-Oma Ankie ließ sich nicht lange bitten und nahm ihren Stammplatz im Alt ein. Wie immer bei solchen Programmergänzungen verlassen wir uns ganz auf den Chef, der einfach nach Bauchgefühl einen Titel anspielt. Diesmal sollte es „Immanuel“ sein, obwohl unsere Stammsolistin nicht anwesend sein konnte. Dann übernahm der Chef das Solo eben selbst. Und das richtig gut. Heute lief sowieso alles wie am Schnürchen, so auch dieses Stück. Wir beendeten dann die Veranstaltung, indem wir einfach zu den sich beliebig oft wiederholenden letzten Zeilen des Liedes auszogen.

© trainarchivatorGospeltrain ist ausgezogen – sonst hätte es kein Ende gegeben

Nach dem endgültigen Schluss löste sich die allgemeine Spannung. Schlussapplaus der Zuhörer, Gratulationen und Erinnerungsfotos anlässlich der Taufe und erste chorinterne Manöverkritik. Ergebnis? Ein rundherum gelungener Taufgottesdienst. Eine würdige Feier mit Leichtigkeit und menschlicher Nähe, die allen Anwesenden in guter Erinnerung bleiben wird.

© trainarchivatorEs war so schön!

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