Aus der Sicht einer Daheimgebliebenen

Freitag, 1. Juni 2012: Ein Blick auf meine Uhr sagt mir: mindestens noch 4 Stunden Dienst   –  und jetzt trifft sich mein Chor am Hammer Bahnhof, um gemeinsam nach Dortmund zu fahren, um den ersten Tag des Gospelkirchentages mit seinen Eröffnungsveranstaltungen und vor allem den Abend mit dem eigenen kleinen Konzert und 4 weiteren Chören und hoffentlich ganz vielen begeisterten Zuhörern erleben zu können. Die Vorfreude aller Teilnehmer war schon enorm, denn die wöchentlichen Chorproben waren ausgefüllt mit Organisation und Austausch der Erwartungen und Hoffnungen, die man an dieses Ereignis hatte. Ich hörte mir das alles geduldig an und dachte nur: und du kannst nicht mitfahren. Oft genug traten dann ein paaar traurige Gedanken auf, die aber im Hinblick auf die versprochenen Berichterstattungen auch schnell wieder verschwanden.

Endlich Dienstschluss, ab nach Hause und auf die Suche gehen nach einem Fernsehsender, der mir einen Bericht über die Eröffnung presentieren wird. Denkste – ich finde nichts. So bleibt mir die Hoffnung, dass der Lokalsender zu seiner normalen Sendezeit etwas zeigt.

19.30 Uhr. Die Spannung steigt. Ich warte und bin gespannt, ob ich einen von meinen Leuten in der Menschenmenge entdecken werde. Die einzige, die ich sehe, ist die Reporterin, die ständig redet, mitten im Bild steht, sodass ich weder etwas sehen noch hören kann. „Raus aus der Szene, ich möchte wenigstens ganz kurz dabei sein können.“ Aber vielleicht ist es auch gut so wie es ist, denn die Darbietung von Nina Hagen ist nicht mein Geschmack. Es hört sich überhaupt nicht nach Gospel an. Aber jetzt kann ich im Hintergrund etwas von einer 5-köpfigen Gruppe mit Band hören. Mein Gedanke ist nur: Hoffentlich sind nicht alle Songs so, denn das wird dann kein GOSPEL-Kirchentag werden, sondern eine Show. Leider gab es keine Übertragung mehr und war mehr denn je auf Berichte meiner lieben Mitsänger/innen angewiesen – was auch geschah.

Samstag, 2. Juni, 10.30 Uhr: Das Telefon klingelt, das kann um diese Uhrzeit nur einer meiner Gospeler sein, der schon früh aus dem Bett gefallen ist. Und das nach einer sicherlich anstrengenden Nacht mit aufregendem Auftritt und anschließend spätem Nachhausekommen. Ich bin gespannt, wer der erste Informant sein wird. Ich nehme das Gespräch an, melde mich mit meinem Namen und höre nur: „Hier ist S., störe ich?“ Welche Frage! Natürlich nicht, denn ich sitze doch bereits seit morgens ganz früh erwartungsvoll in der Nähe meiner einzigen Verbindungsmöglichkeit zum Chor, damit ich wenigstens per Telefon die wichtigsten und aktuellsten Neuigkeiten erfahre. Da ich mit S., unserem Chorchef, bereits viele interessante und darum auch sehr lange Gespräche am Rohr erlebt habe, sodass anschließend die Ohren tropften, freue ich mich auf erste Informationen. Und sie kommen!! Es ist mit etwas mehr als einer Stunde Dauer eines der kürzeren Gespräche geworden, und ich befinde mich jetzt in einem Strudel von Begeisterungsausbrüchen über die unterschiedlichsten Orte, an denen sie Gospels gesungen haben wie Bahnhofshalle, Fußgängerzone, Supermarkt, über die kleinen und größeren Probleme, die sich rund um das Konzert in der Nicolaikirche rankten, und über den tollen Erfolg, der sooooo groß war, wie der Abend spät – nämlich nach Mitternacht. Es folgte dann noch der aufregende „Abgang“ Richtung Hauptbahnhof Dortmund, und schließlich sei unser Boss dann doch noch zu einer erträglichen Zeit in die Federn gekrochen. Dafür, dass sich so viel ereignet hatte an diesem Freitag bis tief in die Nacht ist er doch ganz ausgeschlafen, denn seine Stimme klingt richtig munter. Ich glaube, sein Adrenalinspiegel ist noch nicht sehr  gesunken. Er ist völlig euphorisch und überträgt dies auch zu einem guten Teil auf mich. Ich bin jetzt endlich auch ein wenig dabei, kann mir bei diesen anschaulichen Beschreibungen alles sehr gut vorstellen. Einfach super! Danke für dieses für unsere Verhältnisse kurze (1 gute Stunde) Gespräch. Diese Darstellung des ersten Tages ist jetzt die aus der Sicht des Organisators und Chorleiters. Ich bin gespannt, ob ich noch etwas von einem unserer Chormitglieder hören werde.

Tatsächlich – eine halbe Stunde später ruft mich eine gute Freundin an. Sie ist vor fast 10 Jahren mit mir zusammen in den Chor eingetreten. Sie erzählt mit der gleichen Begeisterung vom vergangenen Tag – und hat noch andere Details auf Lager, die sie als Sängerin erlebt hat. Ich finde es einfach toll, dass  somit in mir ein Gefühl aufkommt, dass auch ich – wenn auch in der Ferne – trotzdem ein wenig dabeigewesen bin.

Am Nachmittag sind Besuche in verschiedenen Workshops an der Reihe und vor allem das Konzert in der Westfalenhalle mit den Wise Guys, das den Höhepunkt des Samstags darstellen soll. Ich bin sicher, dass ich morgen am Vormittag den nächsten Bericht erhalten werde, und dem fiebere ich entgegen. Aber auch ich kann nicht ganz  inaktiv bleiben, was das „Gospeln“ betrifft, denn ich werde heute Nachmittag an einer Hochzeit teilnehmen, die von – wie sollte es anders sein – von einem Gospelchor aus Soest mitgestaltet wird. Ohne geht`s eben nicht, und somit werde auch ich etwas zu berichten haben.

Sonntag, 3. Juni: Mit meinem Frühstück bin ich fertig, jetzt sitze ich ein wenig gespannt da, ich warte auf eine nächste Nachricht über die gestrigen Gospelerlebnisse. Und ……… das Telefon gibt seinen Tiefschlaf auf, es klingelt laut und deutlich. Aber es braucht nicht lange zu schellen. Ich habe es schon in der Hand und damit am Ohr. „Habe ich dich aus dem Bett geholt?“ kommt als erstes durch den Hörer. Aber nein, ich warte doch schon auf brandneue Nachrichten, und die erhalte ich jetzt von meiner M., die mit mir und vier weiteren Vorstandsmitgliedern die Geschicke unseres geliebten Chores versucht, in gute Bahnen zu lenken. Und so, wie es aussieht, geschieht dies unter Mithilfe unseres Chorschefs auch ganz gut. Sie erzählt mir nun, dass es mittlerweile etliche Teilnehmer von den Füßen gerissen hat, nachdem das gestrige Konzert, das auch wieder sehr spät endete, eine ganze Menge Kraft gekostet hatte, physisch wie auch emotional. Trotz dieser euphorischen Stimmung und der Riesenportion Spaß an diesem Gospelkirchentag hat die recht große Anstrengung der vergangenen zwei Tage ihre Spuren hinterlassen. Es werden längst nicht mehr so viele an dem Abschlussgottesdienst teilnehmen können und wollen, weil auch noch Kraft übrig bleiben muss für die kommende Woche. Dieser Gottesdienst wird etwas ganz Besonderes werden, weil immerhin ein paar Tausend Sänger/innen ihn gemeinsam gestalten werden. Wieder werde ich ein wenig wehmütig, aber ich will keine traurigen Gedanken aufkommen lassen und sage M. auch, wie sehr ich mich darüber freue, dass sie und die anderen mich durch die gemeinsamen Telefonate ein Stück mitgenommen haben.

Mittlerweile ist Mittwoch, 6. Juni: Heute ist keine Chorprobe, sondern Vorstandssitzung. Die Begeisterung über das vergangene lange Gospel-Wochenende hat sich noch lange nicht gelegt. Unser Chef schwelgt in Erinnerungen, und die anderen, die mit ihm zusammen diese Zeit erlebt haben, stimmen ihm zu und werfen immer wieder kleine Geschehnisse und Erinnerungen ein, sodass es gar nicht so leicht ist, auch noch andere Themen zu bearbeiten. Mit Ach und Krach klappt es dann doch noch, und es ist nach 22.00 Uhr, als wir uns endlich trennen. Alle freuen sich auf die nächste Chorprobe, denn dann werden zwangsläufig erneut viele Geschichten und Geschichtchen von Dortmund erzählt werden.

Eines weiß ich ganz genau: noch einmal werde ich mir eine solch grandiose Zeit mit meinen Chorfreunden nicht entgehen lassen. Denn 2014 will und muss ich dieses Ereignis erleben und auch davon später schwärmen können.

4 responses to “Aus der Sicht einer Daheimgebliebenen

  1. trainarchivator

    Danke Christa, daß Du uns teilhaben läßt an Deinem „Schicksal“. Viele von uns Teilnehmern waren wohl etwas zu sehr mit sich und dem Großereignis beschäftigt, so daß wir Euch wenige Daheimgebliebene fast vergessen haben. Zum Glück haben Dir ja liebe Menschen die dringend erwarteten Neuigkeiten überbracht. Ich muß zu meiner Schande gestehen, überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen zu sein mal anzurufen. Immerhin hatte ich es ja geschafft, Dir am Samstag vor dem Aufbruch nach Dortmund ein paar Fotos vom Freitag zu mailen – halb Gruß, halb Provokation. Dein Text ist übrigens sehr anschaulich geschrieben, man spürt richtig die Ungeduld und die „scharrenden Hufe“.

  2. Ja, liebe Christa, das Leben kann manchmal ganz schön schwer sein….!!!

    Wie gut ist es dann, wenn man so liebe Gospeltrainer hat , die das „Feeling“ mit Dir teilen.
    Damit Du 2014 mit „in der ersten Reihe“ stehst, werde ich mich dafür einsetzen, dass man Dich kurz vorher noch in die „STADTRANDERHOLUNG“ schickt (grins!) Hast ja bis dahin noch Zeit, Dich auf diese Aktion vorzubereiten.
    Wir könnten das zur „Chefsache“ machen!!!!
    Ganz lieben Gruß

  3. Ich freue mich schon darauf, die Daheimgebliebenen weiter zu begeistern und mit in unser noch immer fahrendes Gospelkichentags-Boot zu holen. Bei den Liedern, die wir für uns alle mitgebracht haben, wird es nur so vor Gemeinschaftsgeist sprühen. Versprochen 🙂

  4. trainarchivator

    Unsere liebe M. kann also auch energisch und ein bißchen frech sein, natürlich nur für den Guten Zweck. Richtig so!

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